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HCM-Kolumne (GTAinside)
Heißer Kaffee und seine Nebenwirkungen - eine Kolumne über Sex, GTA und keusche Behörden

Es gab sie schon in GTA III, sie liefen in dunklen Gassen auf den Gehwegen und warteten auf ihre Kunden. Ganz genau, ich rede hier von den leichten Mädchen aus Liberty City. Fuhr man mit einem nicht allzu demolierten Wagen nah genug an den Gehweg, dann stiegen sie auch schon ein. Auf zur nächsten grünen Stelle auf der Karte und ab geht die Post. Der Geldzähler rattert und das Auto fängt an zu wackeln und zu quietschen – bis hierhin völlig ästhetisch, man sieht nichts, man hört nichts, wunderbar.

Wir schreiben das Jahr 2004, der nun schon fünfte Teil der GTA-Reihe liegt in den Regalen. Rockstar hat sich nicht lumpen lassen, es wurde an allen Ecken gefeilt, viele Einzelheiten wurde verbessert und verändert. Grafik, Sound, Features, Gameplay, alles wurde "besser" gemacht. Auch das Liebesleben des neuen Helden wurde aufgestockt. Man hat nun mehrere Freundinnen im Spiel und kann eine Menge Dinge mit ihnen unternehmen. Dazu zählen Besuche in diversen Bars, Clubs und Diskotheken, sowie spontane Drive-Bys in den Ganggebieten von San Andreas oder einfach nur in einem gediegenen Restaurant dinieren.

Bis hierhin kann niemand meckern, auf der Playstation 2 verlief alles sauber. Rockstar musste sich keine Sorgen machen, das Spiel war so, wie sie es haben wollten. Niemand konnte daran etwas verändern. Mit dem Release der PC-Version des Kassenschlagers im Juni 2005 veränderte sich alles. Die Modding-Community erhielt wieder "Frischfleisch" und hatte - dank des bekannten Programmierstils aus den Vorgängern - so gut wie keine Probleme damit, zahlreiche Mods zu entwickeln. Im Moment tummeln sich unzählige Mods im Internet, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Texturen wurden verändert, egal ob von Waffen, Häusern oder Fahrzeugen. Sounds wurden ersetzt, Skins präpariert, Zielfunktionen verbessert - die Phantasie der Modder kannte kaum Grenzen. Mal sind es völlig neu konzipierte Modifikationen, mal kleine Tools, die einfach nur im Quelltext verstecke Features freischalten bzw. einschalten. Rockstar hat diese Features geplant und einprogrammiert, aus (un)erklärlichen Gründen jedoch in der finalen Verkaufsversion entfernt. Für erfahrene Modder gibt es jedoch nichts Leichteres als diese vermeintlich versteckten Inhalte zu reaktivieren. Zu diesen Features zählt unter anderem das Skateboard. Dieses war geplant, aber letztlich nicht veröffentlicht worden. Ein Modder hat es geschafft, das Deck sichtbar zu machen und ermöglichte es, dieses kleine Brett als Waffe zu benutzen.

Anscheinend plante das Entwicklerteam um Sam Houser auch das Sex-Leben von Carl Johnson. Durch Tastenkombinationen sollte man die Freundin zum Höhepunkt bringen, sodass die Mission erfüllt werden kann. Aus für uns verständlichen Gründen haben sie diese nette Funktion am Ende gestrichen, der Quellcode blieb jedoch erhalten.

Es dauerte nicht lange, bis ein Modder namens Patrick Wildenborg den Code fand und eine Modifikation ins Internet setzte, die das Sex-Spiel aktivierte. Die Mod namens Hot Coffee-Mod (HCM) wurde auf vielen Fanseiten veröffentlicht und gerne auf den eigenen Rechner überspielt. Alles war gut, die HCM wurde vom Niederländer zweimal verbessert, mittlerweile findet man sie bereits in der Version 2.1.

Wie auch nicht anders zu erwarten, entdecken auch schon die Behörden aus den USA die besagte Mod. Ihr könnt euch sicherlich denken, wie sie reagierten. Amerika, das Land, in dem die Freizügigkeit stark geahndet wird. Es darf kein Busen im Fernsehen gezeigt werden, die Röcke dürfen nicht zu kurz sein. Wenn die Mädchen männlichen Besuch bekommen und die Zimmertür geschlossen wird, werden die Eltern schon misstrauisch. Hier könnte man stundenlang weitermachen, Amerika ist schon ein Land für sich. Zurück zum eigentlichen Thema:

Die US-Organisation für Alterseinschränkung bei Unterhaltungssoftware - kurz ESRB (vergleichbar mit der hier bekannten USK) - leitet erste Ermittlungen ein, auf Verdacht, dass in dem Videospiel GTA San Andreas freischaltbare Sex-Spiele zu finden sind.

Man versuchte nun herauszufinden, ob dieser Quellcode tatsächlich von Rockstar stammte, oder ob er von unbekannten Drittanbietern im Nachhinein eingeschleust wurde. Der Autor der Hot Coffee-Mod versicherte, dass er den Code in der offiziellen Verkaufsversion fand und ihn lediglich reaktivierte. Die Mitglieder der ESRB waren sich einig, "die Minispiele sind reine Pornographie, und geben dem Spiel den Rest!". Zu diesem Zeitpunkt besaß San Andreas die Alterseinstufung "M" (Mature), was den Erwerb nur Erwachsenen und Jugendlichen ab 17 Jahren erlaubt.

Es verging ein Weilchen und das Thema war mittlerweile in aller Munde. Endlich meldete sich nun auch Rockstar persönlich zu Wort und nahm Stellung zu der Angelegenheit. Hier ein Auszug:
Wir unterstützen das Bemühen, erwachsene Inhalte in Videospielen aus Kinderhänden fern zu halten, voll und ganz. Obwohl wir nicht mit bestimmten Interpretationen unserer Titel übereinstimmen, begrüßen wir die Möglichkeit einer ausgewogenen und offenen Diskussion dieser Sachverhalte. Da Videospiele Teil des Mainstream-Entertainment geworden sind, brauchen Eltern verlässliche Lösungen, um sicher zu stellen, dass Familienmitglieder nur die Spiele spielen, die für ihre Altersgruppe geeignet sind. [...] Neue Technologie bedeutet, dass Spieldesigner kreative Geschichten auf bahnbrechende und aufregende Art und Weise erzählen können, aber nicht alle Geschichten sind für jedermann geeignet. Als Erschaffer von Grand Theft Auto und weiteren populären Titeln mit M-Freigabe schließen wir uns der politischen Spitze an, um sowohl das Videospiel-Bewertungssystem als auch jegliche Anstrengungen, Familien zu befähigen, die bestmögliche Entscheidung zu treffen, aufs Vollste zu unterstützen. [...]
Auch das deutsche Pendant der ESRB - die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) - nimmt sich nun der Sache an. Nun wollen sie den Sachverhalt überprüfen und ggf. handeln. Wir dürfen gespannt sein, was die Deutschen "verhackstückeln"...

Die amerikanische Spieleseite Gamespot befasste sich mit dem Thema und konnte eindeutig beweisen, dass der Quellcode von Rockstar stammt und nicht von irgendwelchen Drittanbietern implementiert wurde. Erste Maßnahmen wurden angekündigt und ausgeführt: Die ESRB hob die Altersfreigabe von GTA San Andreas in den USA von Mature +17 auf Adults Only +18 an. Das Videospiel ist von nun an nicht mehr für Jugendliche zugänglich. Außerdem will Take2 eine neue Version des Spiels auf den Markt bringen, in der die Installation der Hot Coffee-Mod unmöglich ist. Das ganze war jedoch nur von sehr kurzer Dauer, bereits wenige Stunden später wurde das Spiel vom Markt genommen und der Produktionsstopp eingeleite...

Wie ihr seht, gibt es anscheinend noch Leute, die die Dinge ein bisschen schärfer sehen als sie sind. Simple Sexszenen, in nicht mal aktueller Grafik, haben demnach nichts in einem Spiel - welches für Jugendliche unter 17 Jahren verboten ist - verloren. Die unzähligen Gewaltszenen werden jedoch nicht angesprochen. Seltsam, nicht wahr? GTA ... man geht mit der Spielfigur auf die Straße und erschießt ahnungslose Passanten, tritt auf ihren Leichnam ein und sammelt obendrein auch noch ihr Geld ein. Anscheinend völlig normal. Wieso reagieren die US-Behörden also so gereizt auf Sex-Szenen in Grand Theft Auto, wo es doch viel realistischere Spiele mit integriertem Sex-Feature gibt? Ich denke da an Sims oder Singles. Singles – Flirt up your Life, ein Spiel in prachtvoller Grafik, in dem sogar die Geschlechtsteile explizit modelliert wurden. Ein paar Klicks genügen, dann sieht man sie in Aktion. Wie dem auch sei, das scheint die Behörden nicht zu interessieren, GTA ist und bleibt der "Staatsfeind Nr.1". Man sagt der Spielreihe diverse Negativfolgen nach, beispielsweise Anstiftung zum Mord oder vermeintliche Bombenanschläge. Aber das ist nun wieder ein anderes Thema...

Stefan "AMD" P., 30.07.2005